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Rücknahme einer Kündigung möglich?

Die Rücknahme einer Kündigung durch den Arbeitgeber

 

Grundsätzlich wird mit dem Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis durch einseitige Erklärung zu dem entsprechenden Beendigungsdatum beendet. Da es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, kommt es auf das Einverständnis des Kündigungsempfängers nicht an.

 

Wenn der Kündigende jedoch danach die von ihm zuvor ausgesprochene Kündigung wieder zurücknimmt, stellt sich die Frage, ob auch diese Rücknahme einer Kündigung durch den Arbeitgeber zu ihrer Wirksamkeit durch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung erklärt werden kann, ohne dass es auf eine Erklärung oder ein Einverständnis des Vertragspartners ankommt.

 

Anders als bei einem Ausspruch der Kündigung bedarf es bei der Rücknahme einer Kündigung jedoch des Einverständnisses des gekündigten Vertragspartners mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das in der Kündigung aufgeführte Beendigungsdatum hinaus. Denn die Erklärung der Rücknahme der Kündigung ist als Vertragsangebot, das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung zu den bisher geltenden Bedingungen weiter fortzusetzen, anzusehen. Dieses Angebot bedarf der Annahme durch die andere Vertragspartei. Ohne eine solche Annahme des anderen Vertragspartners käme daher bei einer lediglich einseitig erklärten Rücknahme einer Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das in der Kündigung aufgeführte Beendigungsdatum hinaus nicht zustande.

 

Diese Annahme kann ausdrücklich (also mündlich, schriftlich oder per E-Mail) oder aber auch durch stillschweigendes (konkludentes) Handeln geschehen. Eine solche konkludente Annahme des Angebotes auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, bei der der Vertragspartner die Annahme nicht ausdrücklich erklärt, wäre ein Verhalten, welches den Schluss darauf zulässt, dass auch der gekündigte Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis auf die Rücknahme der Kündigung hin weiter fortsetzen möchte. Eine solche konkludente Annahme wäre zum Beispiel nach einer fristlosen Kündigung darin zu sehen, dass der Arbeitnehmer auf die Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt und die Arbeit wieder aufnimmt.

 

Kann der gekündigte Arbeitnehmer aber eine Rücknahme der Kündigung auch dann ablehnen, wenn er bereits Kündigungsschutzklage erhoben hat ?

 

Mit der Einreichung der Kündigungsschutzklage verfolgt der gekündigte Arbeitnehmer zwar das Ziel, dass die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung festgestellt wird, jedoch liegt in der Einreichung der Kündigungsschutzklage noch kein Einverständnis des gekündigten Arbeitnehmers mit der Vertragsfortsetzung für den Fall, dass die Kündigung durch den Arbeitgeber zurückgenommen werden sollte.

 

Denn andernfalls würde dem gekündigten Arbeitnehmer ein im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) geregeltes weiteres Recht genommen werden, welches er im Rahmen des gerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens grundsätzlich auch bei einer Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber verfolgen könnte. Dieses Recht ist in § 9 KSchG geregelt: „Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.“

 

Würde also in einer Kündigungsschutzklage bereits ein Einverständnis des gekündigten Arbeitnehmers mit der Vertragsfortsetzung für den Fall gesehen werden, dass die Kündigung durch den Arbeitgeber zurückgenommen werden sollte, hätte der gekündigte Arbeitnehmer keine Möglichkeit mehr, nach Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber im Laufe des Kündigungsschutzprozesses vor dem Arbeitsgericht die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zu beantragen.

 

Dem Arbeitnehmer muss somit auch im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses die Möglichkeit verbleiben, zu entscheiden, ob er eine Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber annimmt oder sich durch Ablehnung die Möglichkeit offen hält, etwa einen Auflösungsantrag nach 9 Abs.1 Satz 1 KSchG zu stellen.

 

Mathias Oehlert

Fachanwalt für Arbeitsrecht